Lubmin ist ein attraktives Urlauberörtchen mit einem 5 km langen, feinen Sandstrand. Eine Promenade zieht sich östlich der 350 m langen Seebrücke bis hin zum Küstenwald. Dort mündet sie in einen festen Sandweg, der sich in Richtung Marina durch hügeliges Gelände zieht. In westlicher Richtung führt ein Holzsteg hinter den Dünen entlang. An jedem Ende des Strandes gibt es einen Hundestrand und 2 FKK-Bereiche.
Im Ort, nahe des Strandes, findet man nette Cafes und Gaststätten.
Alles ist relativ beschaulich, nicht so überlaufen wie während der Saison in den Ostseebädern. Vor allem Familien mit kleinen Kindern genießen den schönen Strand und den seichten Bodden.
Das Seebad liegt zwischen Greifswald und Wolgast und ist von beiden Städten aus mit dem Bus gut erreichbar. Es gibt zwar auch eine Bahnstrecke zwischen Lubmin und Greifswald, doch wird diese nur noch für den Güterverkehr genutzt, u. a. für Castortransporte ins Zwischenlager.
Etwa 5 km außerhalb des Ortes, in Nachbarschaft zur Marina, steht das ehemalige Atomkraftwerk (AKW). Wochentags halten die Busse direkt vor dem Informationszentrum der Energiewerke Nord (EWN GmbH). Diese sind die Rechtsnachfolger des ehemaligen Kombinates Kernkraftwerk Bruno Leuschner und mit dessen Rückbau beauftragt. Zu den Aufgaben der EWN gehören nicht nur Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke in Lubmin und Reinsberg, sondern auch die Zerlegung und Behandlung der während des Abbaus anfallenden, radioaktiven Stoffe, deren Zwischenlagerung und langfristige Zuführung zum zukünftigen Bundesendlager. Ein solches existiert allerdings bis heute noch nicht.
Mit einem mulmigen Gefühl, Tschernobyl ist noch nicht vergessen und Fukushima immer noch in den Schlagzeilen ausgesuchter Medien, betreten wir das Betriebsgelände und gelangen ins Informationszentrum.
Hier finden, je nach Besucherandrang, Vorträge zur Vergangenheit des AKWs und zur Gegenwart als Zwischenlager statt. Doch unser Interesse gilt vor allem der Ausstellung. Es gibt zahlreiche Modelle vor allem aus dem AKW Lubmin, hoffentlich nur Nachbauten, die berührt werden können. Wäre jemand hinter dem Infoschalter gewesen, so hätten wir sicher auch Erläuterungen hierzu bekommen.
Wir haben eine Führung durch Block 6 gebucht. Wir haben Glück, denn wir sind an diesem Tag die Einzigen, die sich angemeldet haben.
Im größten, ehemaligen Kernkraftwerk der DDR waren zwischen 1973 und 1990 4 Blöcke in Betrieb. Von 1984 bis 1989 waren 4 weitere Blöcke in Bau, wovon nur Block 5 in Probebetrieb genommen wurde. Einst arbeiteten ca. 10.000 Menschen hier, heute sind 1.000 mit dem Rückbau beschäftigt.
Unser Guide holt uns mit dem Auto vom Informationszentrum ab. Wir passieren ein Tor mit Pförtner, wo wir Ausweise erhalten. Dann parken wir vor einem riesigen, fensterlosen, betongrauen Gebäude und betreten Block 6.
Unser Guide überreicht uns einen Helm, den ich später noch zu schätzen lernen soll. Die Besichtigung der Druckwasserreaktoranlage beginnt.
Erst ist der Guide etwas skeptisch, ob er mit uns überhaupt alles so begehen kann wie gewohnt, doch sind seine Bedenken schnell zerstreut. Allerdings wäre es für einen blinden Besucher ohne Begleitung mit Sehrest kaum möglich, den Rundgang selbstständig und im erforderlichen Tempo durchzuführen. Es gibt doch zahlreiche große Absätze, Schwellen und Treppen, welche allerdings mit einem Kontraststreifen markiert sind. Der Durchgang ist auch teilweise etwas niedrig…
Folgende Stationen sind Teil der Besichtigung: Geberraum, Neutronenfluss, Deckenprüfer, Strahlenschutz, Zuspeisepumpe, Treppengänge, Schleuse, Bedienkorredor, Ventilkammer, Lüftergeschoss, Pumpenringraum, Reaktor, Druckhalter, Nasskondensation, Dampferzeuger sowie Gasfallen. Alles wirkt gewaltig.
Mit viel Einfühlungsvermögen lässt uns der Guide, welcher zu DDR-Zeiten als Schlosser das Kernkraftwerk mit aufgebaut hat und es jetzt wieder demontieren muss, hier und da Bauteile abtasten.
Wir können uns von der Dimension der Kraftwerksausrüstung und den ingenieurtechnischen Leistungen zur Gewinnung von Kernenergie ein Bild machen. Wir erfahren, dass in jeden der letzten 4 Reaktorblöcke jeweils 1,3 Mrd Mark investiert worden sind und dass 85 % der technischen Ausrüstung allein der Sicherheit dienen sollten. Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl waren die Sicherheitsmaßnahmen ständig erhöht worden, was die lange Bauzeit erklärt.
Dass das AKW angeblich kurz vor der Wende vor einem Super-GAU stand, konnte er absolut nicht bestätigen und tat das als Unsinn ab. Er klärte uns über die doch massiven Unterschiede zwischen den Reaktoren in Tschernobyl und Lubmin auf.
Die 90 minütige Führung war für uns sehr lohnenswert. Wir waren von der ausgeklügelten Technik beeindruckt, staunten über die gewaltigen Anlagen und bedauerten schon fast die unglaubliche Verschwendung von so viel Geld, Resoursen, Arbeitskraft und technischem Aufwand, welche in die letzten 4 Blöcke umsonst investiert worden waren.
Nur: So sicher ein AKW auch zu sein scheint, eine 100 prozentige Sicherheit gibt es nicht, und wenn etwas passiert, was dann?! Und dann bleibt auch immer noch die Frage: Wohin mit dem Atommüll?! Das radioaktive Isotop Selen 79 soll immerhin eine Halbwertszeit von 327.000 Jahren haben.
Kontaktdaten:
Informationszentrum der EWN-GmbH, 17507 Lubmin
Tel.: 038354 – 40,
Mail: poststelle@ewn-gmbh.de oder info@ewn-gmbh.de
Webseite: www.ewn-gmbh.de
Der Eintritt ins Informationszentrum sowie die Führung durch Block 6 sind kostenlos. Für die Führung muss man sich anmelden.