Hinweis: Der folgende Reisebericht über unseren Kurztrip nach Stockholm spiegelt lediglich unsere eigenen Beobachtungen und Erfahrungen wieder. Er ist daher nicht als allgemeingültig anzusehen.
Zur Vorbereitung auf diese Reise recherchierten wir im Internet nach günstigen Flügen, preiswerten Unterkünften und Sehenswürdigkeiten im „Venedig des Nordens“. Wir waren gespannt, ob die schwedische Metropole tatsächlich Ähnlichkeiten mit der italienischen Stadt aufweist und ob sie dem Ruf Schwedens, ein Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit zu sein, gerecht wird. Also schmiedeten wir keine großen Besichtigungspläne sondern ließen lieber alles auf uns zukommen.
Auch einen Service am Flughafen Berlin Schönefeld bestellten wir nicht, dafür kamen wir allerdings mehr als rechtzeitig auf dem Schönefelder Bahnhof an. Dieser ist sehr behindertenfreundlich gestaltet. Man wird gut zum Flughafen geleitet. Hierfür wurden große Flugzeuge auf den Boden gemalt und teilweise existiert auch ein Blindenleitsystem. Die Infotafeln sind recht gut erkennbar und leiten einen bis hin zum Informationsschalter im Terminal. Hier fragten wir mit „Blindgänger-Anstecker“ bzw. mit dem „Weißen Stock“ bewaffnet nach Begleitung zum Flugschalter von Germanwings. Nach einer ganzen Weile holte uns ein Mitarbeiter der Firma „Rollmops“ von dort ab.
Bei der Gepäckaufgabe befestigten wir noch schnell farbige Tücher an unseren Koffern, um später das Wiederfinden auf dem Gepäckband zu erleichtern. Auf unsere Bordingcards wurde „BLIND“ geschrieben und von nun an war alles ganz einfach.
In Stockholm wurden wir gleich nach der Landung von einem Servicemitarbeiter in Empfang genommen und zusammen mit unserem Gepäck zum Airportbus nach Stockholm City gebracht. Dankbar und frohen Mutes stiegen wir am Zentralbahnhof aus.
Von hier an sollte uns die Navigationssoftware „Kapten for iPhone“ auf dem iPhone zum „Best Hostel Old Town“ weiterleiten. Diese schickte uns dann auch hier und dort hin, von unserer Unterkunft war allerdings nichts zu entdecken. Auch Passanten die wir nach dem Weg fragten, waren überfordert.
Schließlich gaben wir diese Methoden auf und nahmen uns die Wegbeschreibung vor, die vom Hostel per Mail geschickt worden war. Da wir scheinbar nur in einem kleinen Gebiet umherirrten, konnten wir uns an einem Gebäude als Ausgangspunkt orientieren. So überquerten wir einige Straßen.
Die vielen akustischen Ampeln fielen uns auf. Deren Auffindesignal klingt eher wie ein metallisches Klopfen und das Freigabesignal ist als Knattern zu hören. Außerdem befinden sich zusätzlich Zebrastreifen am Übergang.
Nach einigen Stunden herumirrens fanden wir schließlich unsere Unterkunft kurz vor Torschluß. Das Hostel gleicht einem Labyrinth aus Gängen, Türen, Stufen, abenteuerlichen Wendeltreppen und der Boden ist garniert mit Dutzenden von Schwellen.
Interessant in diesem „architektonischen Meisterwerk“ ist auch der winzige nostalgische Lift. Jedesmal wenn sich die Türen hinter mir schlossen, hatte ich Angst, daß mein Zopf eingeklemmt wird. Immerhin sind die Tasten taktil und es gibt eine Ansage der Etagen, wenn auch auf schwedisch.
Entschädigt wurden wir allerdings durch die optimale Lage der Herberge am Rande von Gamla Stan, in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Königspalast, dem Regierungsgebäude, des Stadthafens, der Altstadt und zahlloser anderer Sehenswürdigkeiten und Museen. An unserem ersten Abend machten wir nur noch eine kleine Stippvisite der Umgebung.
Dunkel wird es hier zu dieser Jahreszeit erst sehr spät und dann auch nur für wenige Stunden. Der folgende Tag sollte unser einziger kompletter Tag in Stockholm werden. Zufällig entdeckten wir in Hafennähe ein riesiges Infoschild mit Hinweis auf den Verkauf von Tickets für Bootsrundfahrten.
Spontan entschieden wir uns für die „Royal-Canal-Tour“. An Bord stellten wir freudig fest, daß an jedem Platz eingestöpselte Kopfhörer liegen. Darüber kann man in vielen verschiedenen Sprachen einer Tourbeschreibung lauschen. Hier werden Verlauf und Sehenswürdigkeiten am Ufer beschrieben, welche auf einer ebenfalls an jedem Platz ausliegenden Karte eingezeichnet und numeriert worden sind. So konnten wir uns auf deutsch und nicht sehend einen Überblick über einen Großteil der Stadt machen. Unsere Tour führte entlang eines Kanals bis hin zu den „Schären“ in der östlichen Ostsee.
Da uns das so gut gefallen hat, buchten wir gleich noch am nächsten Tag die „Under Stockholms Bridges-Tour“. Diese führte uns vom Mälanensee, der sich 120 km nach Westen erstreckt und aus welchem die Stockholmer ihr Trinkwasser beziehen, bis hin zur Ostsee. Wir passierten „Slussen“, eine Schleuse, durch welche hier das Süßwasser des Sees von dem Salzwasser der Ostsee getrennt wird.
Stockholm wurde auf 14 Inseln erbaut, die durch 53 Brücken verbunden sind. Diese sind natürlich nicht so filigran wie die in Venedig, da hier auch Autos darüber fahren, aber einige verzierte Bogenbrücken gibt es doch. Unterwegs erfuhren wir von vielen sehenswerten Gebäuden, Museen und Parks, die wir uns allerdings in einem späteren Trip vornehmen müssen.
An Bord erfuhren wir dann auch von der Möglichkeit, an Stadtrundfahrten mit Bussen teilzunehmen, wovon wir leider auch keinen Gebrauch mehr machen konnten.
Bei der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit erkundeten wir mit Hilfe eines Stadtplans aus dem Hostel, welcher mit Lupe einigermaßen lesbar ist, und mit taktilem Kompaß nur Gamla Stan und den Weg von dort zum Zentralbahnhof. Dieser war dann doch sehr einfach und in weniger als in einer halben Stunde zu meistern.
Beim Spaziergang durch die Innenstadt half der Langstock ungemein dabei, nicht ständig über den Haufen gerannt zu werden. Zu ihrer eigenen Sicherheit wichen die Leute ihm aus.
Die Bedeutung des blauen Abzeichens mit dem weißen Blindgänger darauf schien gänzlich unbekannt zu sein. Hilfe bekamen wir jedenfalls nie angeboten. Niemand schien auf die Idee zu kommen, daß der Benutzer eines Langstocks blind sein könnte und möglicherweise ein wenig Unterstützung bei der Orientierung schön wäre. Fragte man jemanden nach dem Weg, wurde nur irgendwie mit den Armen gewedelt. Wir mußten schon ganz deutlich sagen, daß wir blind sind und inständig darum bitten, zu unserem Ziel direkt hingebracht zu werden. Wie freundlich und hilfsbereit erschienen uns nun dagegen die Deutschen. Besonders bewußt wurde uns das, als wir auf dem Zentralbahnhof nach einem Infostand suchten, den wir nie fanden. In der Bahnhofshalle gab es keinerlei Blindenleitsystem, allerdings hängen die Monitore recht niedrig. Mit Hilfe eines Monokulars fanden wir schließlich doch noch den Ausgang zum Airportbus.
Uns fiel auf, daß hier Drehtüren sehr beliebt sind. Teilweise wurden sogar gleich 2 nacheinander eingebaut. Die Bushaltestellen am Zentralbahnhof sind mit einem Auffindestreifen quer über den Gehweg gekennzeichnet. Dieser besteht aus sehr breiten, in den Beton eingefrästen Rillen, die weiß gekennzeichnet sind. Diese enden am Bussteig in einem schwarzen Noppenfeld. Insgesamt haben wir festgestellt, daß die Beschilderung besser lesbar ist als in Deutschland, da die Tafeln und Monitore nicht so hoch hängen und die Schrift kontrastreicher dargestellt wird.
Am Abend wollten wir dann mal essen gehen und schauten uns die Angebote der Gaststätten an. Die Preise hinter den auf schwedisch ausgewiesenen Gerichten waren ganzschön gesalzen. Das einzige was preiswert erschien, war ein schwedisches Gericht was so ähnlich wie „Kot fressender Lumpi mit Potatows“ klang. Wir verzichteten darauf und landeten letztendlich bei einem Italiener, wo ausnahmsweise keine Selbstbedienung angesagt war und wir die Namen der Speisen deuten konnten.
Wegen eines Notfalls mußten wir dann leider bereits am folgenden Tag zurückfliegen.
Zum Frühstück gab es am letzten Tag Kornetto mit Kaffee. Das ist keine Eiscreme, sondern das sind sehr leckere Gebäckteile mit Marmeladenfüllung. Für die Heimreise nahmen wir uns dann noch Körnerbaguette mit Käse mit, die sich allerdings als große Mohnhörnchen entpuppten.
Beim Rückflug sicherte auch diesmal ein sehr pünktliches Erscheinen am Airpot eine einigermaßen streßfreie Reise. Eine schicke, skandinavienblonde, hoch gewachsene Angestellte von Germanwings verließ kurzerhand ihren Abfertigungsschalter, um uns im gemächlichen Wiegeschritt zu einer Stelle zu begleiten, von der wir in einer Stunde abgeholt und zum Gate gebracht werden sollten.
Die Wartezeit vertrieben wir uns mit Milchkaffee. Die nette Verkäuferin fragte doch tatsächlich von sich aus, ob sie uns die Kaffeegläser an den Tisch bringen soll. Wir waren positiv überrascht.
Im Flieger begrüßte uns dann der Stewart vom Hinflug herzlich wie zwei alte Bekannte. Er sorgte dafür, daß wir zusammen sitzen konnten. Überhaupt war die Crew sehr nett und in Berlin Schönefeld warteten schon wieder die Leute von „Rollmops“ auf uns. Diese führten uns nicht nur erfolgreich wieder mit unserem Gepäck zusammen, sondern begleiteten uns gleich bis zum Zug nach Berlin Hauptbahnhof.